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Das Wort zum Samstag: Weigern oder nicht?

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Brille BuchAls ich Anja Bagus´ Kommentar »Ich weigere mich!« veröffentlicht habe, war mir schon klar, dass der kontroverse Reaktionen hervorrufen würde. Und das geschah dann wie erwartet auch, hauptsächlich in diversen sozialen Medien.

Es gab tatsächlich eine Menge Personen, die sich sachlich, offen, konstruktiv und vor allem mit Realismus mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Aber es gab auch haufenweise Reaktionen, die man – vorsichtig ausgedrückt – nur als »giftig« bezeichnen kann. Und insbesondere solche, die sich selbst als »professionell« bezeichneten, spuckten geradezu Gift und Galle. Aktuell wurde ein Artikel veröffentlicht, in dem man gleich haufenweise »Profis« in Stellung bringt, um dagegen zu reden. Ein solcher Diskurs und Meinungsaustausch ist selbstverständlich gewollt und erlaubt.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch ein paar Gedanken zu dem Thema ergänzen.

Der allgemeine Tenor bei den »Profis« ist: »Ohne Lektorat geht GAR nicht!«, und das wird von gewissen Kreisen mit einiger Vehemenz vorgetragen. Sieht man sich allerdings Publikationen mancher Publikumsverlage an, bei denen das Lektorat aufgrund der gefundenen Qualität möglicherweise vom Hausmeister gemacht wurde, relativiert sich das meiner Ansicht nach ganz schnell wieder.

Was etliche der Kritiker offensichtlich vergessen oder ignorieren: Es gibt verschiedene Qualitätsstufen bei Lesestoff. Wirft man einen Blick zurück ins Zeitalter der Heftromane, dann weiß der Eingeweihte, wie es um die Qualität etlicher dieser Publikationen bestellt war. Ich hab mal versucht, John Sinclair zu lesen. Falls da tatsächlich jemand lektoriert haben sollte, ist der vermutlich längst an Suff verstorben. Gelesen wurde das Zeug trotzdem, genauso wie heute diverse schnell gemachte und zügig auf den Markt geworfene Massenware auch von namhaften Verlagen, ich sag nur Egmont Lyx. Denn es gibt einen Markt für schnell zu konsumierende Massenliteratur, bei der die Qualität nur ein Nebenschauplatz ist. Der Hauptschauplatz ist es, die Lesebedürfnisse der Zielgruppe zu erfüllen. Das machen nicht nur Selfpublisher so, sondern auch namhafte Verlage. Und wer tatsächlich glaubt, dass Letztere dabei Zeit und Geld für ein brauchbares Lektorat übrig haben, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Sehr erhellend dazu auch der aktuelle Beitrag des Krimiautors Dieter Paul Rudolph.

Mir wären ja Rohdiamanten hin und wieder erheblich lieber, als durchgestylte und auf »kauft mich!« optimierte Werke der PublikumsverlageDann las ich immer wieder die Aussage, dass man nur mehrfach überarbeitete und lektorierte Bücher lesen oder abliefern möchte. Es war in einem Fall konkret die Rede davon, »dass man keine Rohdiamanten mag«. Das fand ich besonders ulkig. Mir wären ja Rohdiamanten hin und wieder erheblich lieber, als durchgestylte und auf »kauft mich!« optimierte Werke der Publikumsverlage, die nur noch auf den nächsten Bestseller und das nächste »schnell zu drehende« Buch schielen. In keiner anderen Kunstform sagt man dem Künstler: »Da muss erst nochmal jemand drüber arbeiten, so geht das gar nicht!« Nur beim Schreiben scheint es ein Naturgesetz zu sein, dass alles auf Teufel komm raus von Dritten weglektoriert werden muss. Persönlich ist mir eine originelle Schreibe samt ebensolcher Geschichte selbst mit ein paar inhaltlichen Schwächen allemal lieber, als das Massenzeugs der Publikumsverlage. Das einfach mal in Bausch und Bogen abzulehnen ist so, als würde man auch Garagenpunk die Existenzberechtigung absprechen, weil die ja mal Töne nicht treffen. Dabei ist das gerade der Punkt bei Indie: anders, schräg, frisch, rauh, unabgenutzt. Und: Vermutlich würden Bücher von James Joyce, Bukowski, Hemingway oder Hunter S. Thompson heute gar nicht mehr verlegt, weil sie nicht dem Anspruch der Anspruchsfanatiker entsprechen.

Denkt mal darüber nach: Lektorat erkennt man nicht von außen: Kay Noa hat einen Blindtest vorgeschlagen, in dem den lamentierenden »Profis« Textausschnitte aus lektorierten Verlagsbüchern und nicht lektorierten oder im Peer Review überarbeiteten Selfpublisher-Büchern vorgelegt werden. Das wäre in meinen Augen ein überaus spannendes Experiment mit absolut nicht sicherem Ausgang. Was man aber sicher sagen kann ist: Wenn man eine »böse« Auswahl an Verlagsbüchern trifft, könnte man das Resultat erheblich zugunsten der Selfpublisher beeinflussen.

Zum Abschluss: Leider haben zu viele nicht verstanden, worum es eigentlich ging. Es ging weder darum, Lektoren noch Verlage zu bashen (obwohl etliche Publikumsverlage in meinen Augen dringend mehr Gebashe nötig hätten). Es ging auch nicht darum, zu sagen, lektorierte Bücher wären irgendwie doof. Das stimmt so pauschal nicht – und das war auch nicht mal in der Nähe des Punktes.

Aber auch die »Profis« sollten sich den Realitäten stellen: Qualität liegt im Auge des Betrachters. Und heute kann jeder veröffentlichen. Das führt zwar zu einer unüberschaubaren Menge an Publikationen, aber für eine Demokratisierung des Buchmarktes ist das grandios – eine ganz ähnliche Entwicklung, wie die Zeitungsverleger sie mitmachen mussten, die Bürgerjournalismus wie beispielsweise Blogs als qualitativ minderwertigen Schund verlachten. Heute wissen wir, wie die Realität aussieht. Bei Büchern sieht das ganz ähnlich aus – und ich kann durchaus nachvollziehen, dass Verlage und manche Leser nun in Sachen Buch demselben Irrtum verfallen, wie damals die Zeitungsverleger. Es ist aus Sicht der »Profis« natürlich höchst ärgerlich, wenn plötzlich unlektorierte oder im Peer Review überarbeitete Bücher tatsächlich Umsätze erzielen. Das möchte man selbstverständlich wegdiskutieren, weil die eigenen Werke ja so viel »besser« sind. Sind sie zum Teil gar nicht. Nur teurer.

Deswegen: Bleibt doch alle mal entspanntDeswegen: Bleibt doch alle mal entspannt. Das Thema ist nur Literaturfetischisten so wichtig. Ich bin sicher, dass den Großteil der Leser nur interessiert, ob sie ein unterhaltsames Buch gelesen haben. Da sind die ein oder andere stilistische Schwäche oder ein übersehener Typo weitaus weniger dramatisch, als die Geiferer das glauben machen wollen. Ich gehe ja auch zur Garagenpunkband. Wer lieber die Oper besuchen möchte, darf das selbstverständlich gern tun. Dann kommen wir uns auch nicht so leicht in die Quere. Aber erzählt mir nicht, eure Musik wäre besser. Sie ist nur anders. Ich höre übrigens eine große Bandbreite an Musik ...

Und damit ist das Thema für mich auch durch. Ich hab noch Sinnvolles zu tun. :)

Bild Buch mit Brille von flickr, CC0

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