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Rant: Der eBook-Markt braucht professionelle Qualität?

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Neulich wurde auf der Facebook-Seite zu Leander Wattigs Projekt »Ich mach was mit Büchern« ein Link zu einem Blogeintrag auf »e-Book-Stern« veröffentlicht. Der Verfasser Maximilian Buckstern (Pseudonym) lässt sich darin über Selfpublishing aus und stellt mehrere Behauptungen auf, von denen einige meiner Ansicht nach arg pauschal sind und andere jegliche argumentative Basis vermissen lassen. Ich wollte diese Aussagen nicht so stehen lassen und möchte an dieser Stelle meine Anmerkungen dazu ausführen.

Gleich zu Beginn werden Autoren die (ausschließlich) digital veröffentlichen pauschal als »Hobby-Autoren« abgekanzelt und mit dem in diesem Artikel herablassend wirkenden Begriff »ePubber« bezeichnet. Der Grund für diese Äußerungen zeigen sich später unten im Artikel, denn er spricht Selfpublishern pauschal ab, qualitativ Hochwertiges erzeugen zu können und macht das daran fest, dass solche Werke im Amazon-Shop »an der oft wenig ansprechenden Titelgestaltung« erkennbar seien.

Protoshop-Desaster bei Knaur

Protoshop-Desaster bei Knaur

Den Punkt greife ich gern gleich als erstes auf. Wenn man sich die Programme der deutschen Publikumsverlage ansieht, dann fällt nicht nur dem Photoshop-Kenner leicht auf, dass die Gestaltung der Titelbilder leider ebenfalls allzu oft zu wünschen übrig lässt — insbesondere im Bereich Phantastik. Schnell aus Stock-Image-Sammlungen zusammengeklaubte Illustrationen werden mit Schrift versehen und fertig ist das Titelbild, das aus jedem Pixel Beliebigkeit und Langeweile atmet. Mag zwar technisch einwandfrei sein, deswegen aber nicht weniger steril und beliebig. Bei Übersetzungen fremdsprachiger Romane werden die Originaltitelbilder nicht verwendet, weil man hierfür selbstverständlich den Urheber bezahlen müsste (die offizielle Begründung ist »weil US-Cover für den deutschen Markt ungeeignet sind«) und greift deswegen lieber auf Titelbilder zurück, die aussehen, als hätte man aus Kostengründen den zufällig des Weges kommenden Hausmeister an den Mac gesetzt und einen Umschlag gestalten lassen. Das wirklich Erbärmliche daran ist, dass das gerade auch und insbesondere vermehrt bei großen Publikumsverlagen vorkommt; nach meinen Beobachtungen sind Kleinverlage in Sachen Titelbild weit vorn, weil die sich noch Gedanken darüber machen und mit dem Herz bei der Sache sind, statt nur rasch eine Illu auf eine »schnell gedrehte« Ware wie Schmusevampir-Romane (und ähnliche Schmonzetten) pappen zu müssen.

Ergo: mit der Qualität der Cover ist es auch bei vielen »professionellen« Verlagen nicht weit her.

Weiterhin möchte Herr Buckstern die »Euphorie in Sachen ePubbing« relativieren und verweist deswegen auf die geringen Absatzzahlen von eBooks auf dem deutschen Markt. Er bezeichnet den eBook-Markt in Deutschland als »sehr klein« und nennt als Hausnummer »0,5 bis 1 % vom Gesamtmarkt«.

Sehen wir uns das einmal etwas genauer an: Der Börsenverein des deutschen Buchhandels hat Anfang des Jahres einen Report (Studie möchte ich es aufgrund der möglicherweise nicht wissenschaftlichen Herangehensweise nicht nennen, es wurden offenbar ca. 400 Sortimenter von der GfK befragt) heraus gebracht, der sich unter anderem dem Thema widmet, wie die Verkaufszahlen in Sachen eBooks im Jahr 2010 waren.

Betrachten wir einige der Zahlen die darin stehen (es ist übrigens im PDF des Börsenvereins nicht detailliert beschrieben, wie die zustande kamen, man sollte sie also mit der nötigen Skepsis betrachten):

  • Der eBook-Markt macht 0,5 Prozent des Käufer-Buchmarkts aus
  • Es wurden gerade mal zwei Millionen eBooks verkauft
  • es gibt ca. 540000 Käufer von eBooks

Der Mensch aus der Buchbranche wird aus seiner Warte, wenn er den Gesamtumsatz dieser deutschen Buchbranche betrachtet (und den spricht Buckstern ja offenbar an), diese Zahlen selbstverständlich als Sub-Peanuts betrachten. Diese Betrachtungsweise geht aber von völlig falschen Voraussetzungen aus, denn den einzelnen Autoren interessiert es selbstverständlich überhaupt nicht, wieviele Milliarden die Buchbranche insgesamt umsetzt und dass die eBook-Absätze für diese bislang irrelevant sind.

Man möge mir vergeben, wenn ich das so offen sage, aber da ist wohl jegliches Verständnis für Relevanz und Verhältnismäßigkeit lange über Bord gegangen?

Aus Sicht einer Person die eBooks herausbringt, möglicherweise als Kleinverlag oder als Selfpublisher, sieht die Lage mit denselben Zahlen, aber aus einem anderen Blickwinkel doch deutlich anders aus:

  • es wurden 2010 immerhin zwei Millionen (!) eBooks verkauft!
  • es gibt 540000 potentielle Leser

Ich füge noch hinzu:

Wenn man in die Betrachtung jetzt noch einbezieht, dass die Early Adopter unter den eBook-Lesern nicht nur nach meinen Erlebnissen gut vernetzt sind und ihre Erfahrungen und Entdeckungen untereinander austauschen, ist die Chance, ein paar tausend Exemplare eines Buches abzusetzen gar nicht mal schlecht. Offen bleibt außerdem, ob in die Zahlen auch Verkäufe spezialisierter kleiner Plattformen wie beispielsweise epubbuy oder Beam-eBooks Eingang gefunden haben, oder nur solche von Branchenprojekten wie libreka oder libri.de.

Kindle & Kindle DX

Kindle & Kindle DX

Wenn man im direkten Vergleich betrachtet, mit welchen geringen Stück– bzw. Verkaufszahlen Kleinverlage teilweise agieren, ist man als Autor der ePubs veröffentlicht potentiell mit größeren Absatzzahlen dabei. Und in Hinsicht auf die rasant steigenden Absätze könnte der frühe Vogel den Wurm fangen.

Wenn der Verfasser des Artikels auf e-Book-Stern also behauptet:

Wir brauchen in Europa noch etliche Monate, bis es genug eBook-Käufer und –Leser gibt.

… dann mag das aus der Elfenbeinturm-Sicht der Branche korrekt sein, nicht aber aus der Froschperspektive eines potentiellen Autors, der ja möglicherweise erst einmal schon mit ein paar tausend Verkäufen zufrieden ist. Das Problem eines Autors ist es nicht keinen Verlag zu haben, der einen veröffentlicht, das Problem eines Autors ist es, unbekannt zu sein, und dem kann man durch eBook-Veröffentlichungen (möglicherweise sogar kostenlosen, siehe Cory Doctorow oder Paulo Coelho) möglicherweise entgegen wirken. Das gilt so auch für Kleinverlage.

Die nächsten beiden Sätze haben mich dann zugegebenermaßen erheblich erheitert:

Aus meiner Sicht ist es keine Frage, dass eBooks gedruckte Bücher und Buchläden verdrängen werden. Der Blick nach USA zeigt das.

Aus meiner Sicht ist es keine Frage, dass eBooks gedruckte Bücher hierzulande auf Jahrzehnte hin nicht verdrängen werden, vielleicht sogar nie. Diese Verdrängung daraus abzuleiten, dass in den USA die eBook-Verkäufe (bei Amazon!) den Absatz gedruckter Bücher übertroffen haben, geht fehl, denn in Deutschland ist der Konsument deutlich konservativer. Selbst ich als ausgesprochener eBook-Fan sehe das Medium nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zum gedruckten Buch. Der Blick in die Vereinigten Staaten zeigt, dass eBooks ein Thema sind, dem sich niemand mehr verschließen kann, eine vollständige Verdrängung kann man daraus allerdings nur mit sehr viel Phantasie ableiten.

Zum nächsten Punkt:

Wer gute Inhalte produziert, sollte alle Veröffentlichungswege in Betracht ziehen und versuchen zu nutzen. Das überfordert ePubber ganz erheblich!

Den letzten Satz greift er aus der Luft und lässt ihn unbegründet stehen. Was genau überfordert »ePubber«? Warum sollte man alle Vertriebswege in Betracht ziehen, wenn man seine Zielgruppe möglicherweise mit der gewählten Publikationsform deutlich exakter erreichen kann, als über »konventionelle« Vertriebsarten? Was hindert den ePubber daran, auch weiterhin an Verlage heran zu treten? Klar — ein Verlag wird möglicherweise ein Werk das bereits als ebook angeboten wird nicht mehr verlegen wollen, aber das ist Denken von gestern, von dem sich die Branche möglicherweise schneller wird verabschieden müssen, als ihr lieb ist.

Dann wird dem Leser einfach mal folgender Satz um die Ohren gehauen:

Auch die Qualität bleibt auf der Strecke. …

Es werden die Vorzüge von Verlagen aus Sicht des Verfassers dargelegt, diese leisten nach seiner Ansicht drei wichtige Dinge:

  • sie treten in Vorleistung indem sie ausgewählte Buchprojekte finanzieren und in deren Realisierung investieren
  • sie »veredeln« professionell einen Text durch Lektorat und Layout
  • sie vertreiben und verkaufen

Punkt eins: ja und? Der Autor tritt in Vorleistung, indem er einen Text schreibt. Die Produktion eines eBooks (wir erinnern uns: wir reden hier über »ePubber«, also letztendlich eBooks in Form von ePubs) kann heutzutage jeder mit Open-Source-Software realisieren und die Ergebnisse stehen den »professionell« und angeblich »teuer erzeugten« Produkten der großen Verlage in nichts nach. ePub ist Text.

Cover fast okay, Inhalt nicht

Cover fast okay, Inhalt nicht

Punkt zwei: …und deswegen ist das Layout bei ePubs nachrangig, vielleicht abgesehen vom Cover. Zum Cover habe ich weiter oben schon lamentiert.
Lese ich dann wieder einmal pauschalisiert über das »Veredeln« eines Textes durch Lektorat, zu dem »ePubber« nicht in der Lage sein sollen, dann fallen mir spontan die diversen Verfehlungen ein, die mir nicht nur in letzter Zeit in deutschen Büchern so zu Augen gekommen sind; ich will hier nicht meinerseits pauschalisieren, aber wenn das was man in vielen Phantastik-Romanen (und anderswo) vorgesetzt bekommt »professionelles Lektorat« ist…
Kommt dann noch eine Übersetzung hinzu, geht’s bisweilen sogar ins Groteske. Wer mir nicht glaubt, der sollte beispielsweise mal einen Blick in die deutsche Fassung von Gail Carrigers SOULLESS werfen (mit dem beknackten Titel GLÜHENDE DUNKELHEIT bei Blanvalet), jemand der mir hier ernsthaft von einem »professionellen Lektorat« vorschwärmen möchte, hat eindeutig schwere Realitätsverluste. Und das war nur ein Beispiel von zahllosen.

Ich gehe davon aus, dass sich möglicherweise aus den bereits jetzt existierenden Autorenforen, möglicherweise aus anderen einschlägigen Kristallisationskernen im Web eine Art »Lektoratsgemeinschaften« bilden werden, die der »Schwarmintelligenz« des Netzes das Lektorieren eines Textes oder Buches überlassen — wer ein Buzzword dafür benötigt: man könnte das als »Crowd-Editing« bezeichnen. Der Autor könnte sich dafür beispielsweise dadurch bedanken, dass er einen Teil seiner Einnahmen dann wieder der Plattform zur Verfügung stellt.

Punkt drei: macht Amazon auch. Und weitere spezialisierte Anbieter kommen fast täglich hinzu. Klar, ohne die Marktmaschinerie der etablierten Verlage und den Buchhandel haben es Selfpublisher noch ungleich schwerer als die »Profis«, in Erscheinung und in das Bewusstsein der Leser zu treten, aber die Erfahrungen der letzten Jahre im Netz zeigen, dass Mundpropaganda und (soziale) Vernetzung von Freunden und Bekannten mit ihren Empfehlungen und viralen Möglichkeiten bereits jetzt ein nicht zu unterschätzender Faktor sind und das immer gewichtiger wird. Nicht ohne Grund setzen immer mehr Firmen auf diese Möglichkeiten des Mediums Internet — auf den Trichter sind die traditionell konservativen deutschen Verlage jedoch erst ganz frisch gekommen — und konfrontieren uns Blogger immer wieder mal mit Aktionen um gedruckte Bücher zu verkaufen die eher zur Belustigung beitragen. Junge Player im Markt, wie beispielsweise EPIDU, müssen kommen, um Plattformen wie »Blogg´ Dein Buch« zu realisieren und den großen zeigen wo es lang geht.

Entlarvend finde ich übrigens den Halbsatz »Verlage sind keine Schmarotzer«. Warum muss man das extra betonen..?

Bei all den vorstehenden Betrachtungen wurde zudem nur der deutsche Markt heran gezogen. Via Internet erreicht man jedoch weitaus mehr deutschsprachige potentielle Leser.

Klar, es sind auch selbstveröffentlichte Bücher zu finden, die würde man noch nicht mal mit der Kneifzange anfassen, weil unlesbar und von orthographischen Fehlern strotzend. Na und? Erstens findet vielleicht sogar so etwas Leser, dann hat es seine Berechtigung. Zweitens glaube ich an die Kräfte des Web: wenn etwas gut oder großartig ist, wird es meist auch gefunden UND verbreitet. Und im Gegensatz zum gedruckten Buch ist es extrem simpel eine Leseprobe bereit zu stellen, damit sich der potentielle Leser ein Bild davon machen kann, ob das Werk seinem Anspruch genügt. Aus dem am Anfang des Absatzes Genannten ein grundlegendes Qualitätsproblem bei von Selfpublishern veröffentlichten eBooks ableiten zu wollen, halte ich für verfehlt.

Abschließend frage ich mich, was der Artikel soll? Ambitionierten Autoren einreden, sie müssten unbedingt bei einem Verlag unterkommen? Wäre schön, ja, aber die Argumentationen sind zu oberflächlich, zu beliebig, um ihm das wirklich abzukaufen. Diverse Argumente sind flach oder einfach nur Behauptungen ohne Belege. Okay, ein paar von meinen vielleicht auch, aber ich sage auch »nur« meine Meinung ohne sie als universelle Konstante hinzustellen. :o)

Potentielle Selfpublisher müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie auf den Bauch fallen könnten, aber das sollte bloß niemanden daran hindern, es nicht trotzdem zu versuchen! Nach meiner Ansicht wird Selfpublishing eher früher als später auch zu einem Faktor im deutschsprachigen Raum werden, insbesondere und zuerst bei Internet-Affinen mit ihren Multiplikationsmöglichkeiten. Das funktioniert seit Jahren beispielsweise bei Musik oder Software ganz großartig und ich sehe keinen Grund, warum das bei Literatur nicht auch so sein sollte.

Lassen wir einfach das Pauschalisieren und stellen fest, dass es sowohl auf Seiten der Verlage wie auch auf Seiten der Selfpublisher positive wie negative Beispiel gibt — viele Argumente des Verfassers gegen Selfpublishung jedoch nicht begründet sind und deswegen nicht ziehen. Bis zur ersten Amanda Hocking oder bis zum ersten John Locke wird es im deutschsprachigen Raum noch dauern — aber sie werden kommen!

Vielleicht bist Du es.

Creative Commons License

 

Teaserbild mit eReader von Matt Hammond auf flickr, CC-BY-ND
Quelle der Verkaufszahlen: Presseinformation des Börsenvereins des deutschen Buchhandels
Cover DAS AMULETT DER ZAUBERIN Copyright Knaur
Cover GLÜHENDE DUNKELHEIT Copyright Blanvalet
Bild Kindle & Kindle DX aus der Wikipedia, von ShakataGaNai, CC-BY-SA

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